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BRUVORI
BRUVORI steht für Brunstvokalisation Rind. Der erste Ansatz dieses Projektes war es ein automatisches System zu entwickeln, dass diese Vokalisation automatisch erfasst und damit dem Tierhalter mitteilt, wann der beste Zeitpunkt der Besamung ist. Das war zunächst ein angewandter Ansatz. Die Notwendigkeit ergab sich aus dem Umstand, dass in großen Milchrinderherden eine individuelle Tierbetreuung und Brunstkontrolle durch den Halter nicht mehr möglich ist. Das Projekt wurde während meiner aktiven Berufszeit am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN, heute Forschungsinstitut für Nutztierbiologie) in Dummerstorf von mir und Kollegen bearbeitet und vom Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert. Es gab 2 weitere Partner die Universität Rostock, Institut für Allgemeine Elektrotechnik und eine Firma für Prozessautomatisierung aus Neubrandenburg.
Das Projekt wird in der unten abgebildeten PowerPoint-Präsentation beschrieben. Die Präsentation ist interaktiv gestaltet. Lautabschnitte können auch akustisch abgespielt werden.
In einem Datenlogger (Halsband) werden die Verläufe von Vokalisation, Wiederkauaktivität und Bewegungsaktivität über 24 h erfasst und auf einer SD-Karte gespeichert. Die Daten können dann ausgelesen und ausgewertet werden. Dazu haben uns Programme, in LabView programmiert, geholfen. Eine Echtzeitbewertung war in diesem Projekt noch nicht vorgesehen.
Einlesen der Aufnahmestreams und Speicherung der Laute
In dem Demonstrationsvideo werden die Aufnahmestreams beider Mikrofone parallel in kleinen Zeitfenstern eingelesen. Nur wenn ein Zeitfenster des Luftschallmikrofons über einer Schwelle liegt, wird dieser Abschnitt berücksichtigt, der nächste getestet und, wenn positiv an den vorherigen angehängt bis zum Ende, wenn die Schwelle wieder unterschritten wird. An den beiden so generierten Signalen (Körperschall und Luftschall) werden dann einige Bedingungen getestet.
In der Demonstration hört man vor dem Speichern des ersten Lautes einen Laut, der nicht berücksichtigt wird, weil der Körperschall nicht aktiv war. Es war ein anderes Tier, das in unmittelbarer Nähe am Trog vokalisierte. Das ergab auch die Auswertung parallel zur akustischen Aufnahme erfolgter Videoaufzeichnungen. Auf dem rechten Bedienpanel sieht man, dass jeder Laut in „Muh“ und „Brüll“ Anteile aufgeteilt wird. Der Taster „Nächster Laut“ ist nur in der Demoversion des Programms enthalten. Ansonsten läuft das „normale“ Programm bis zum Ende kontinuierlich durch, auch die Soundwiedergabe erfolgt nicht. So konnten SD-Karten mit 24-stündigen Aufnahmen in wenigen Minuten analysiert werden.
Hier werden nun die automatisch ermittelten Laute weiter verarbeitet.
Ich möchte später zeigen, wie man die Daten mit dem Soundprojekt Soundwel individuell weiter verarbeiten kann.
Soundwel ist ein universelles Tool zur Analyse und Synthese akustischer Daten. Auch die Klassifizierung von Lautdaten ist in diesem Tool integriert. Alles wurde mit LabView entwickelt.
Aus dem anfangs angewandten Ansatz (automatische Erkennung der Brunst) ist nun eine grundlegende Fragestellung entstanden.
Mit Hilfe von Hidden Makov Modellen (HMM) ist es vielleicht möglich, Regeln in der Abfolge von elementaren Lautelementen („Pseudophonemen“) in der Vokalisationsfolge zu finden.
Dies ermöglicht eventuell genauere Aussagen zur situationsbezogenen Befindlichkeit von Tieren zu bekommen.
Leider konnten wir dieses Projekt nicht mehr in Angriff nehmen, da bei mir der Ruhestand begann.
Publikationen:
Schön, P.-Ch.; Hämel, Kathrina; Puppe, B.; Tuchscherer, A.; Kanitz, W.; Manteuffel, G. (2006):
Untersuchungen zur Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind. Züchtungskunde 78: 336-344
Schön, P.-Ch.; Hämel, Kathrina; Puppe, B.; Wendland, K.; Tuchscherer, A.; Kanitz, W.; Manteuffel, G. (2006):
Veränderte Vokalisationsrate und Vokalisationsstruktur während des Brunstzyklus beim Milchrind. In: Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung 2006 (KTBL-Schrift , 448) KTBL, Darmstadt (978-3-939371-18-2): 81-88
Dreschel, S.; Schön, P.- C.; Kanitz, W.; Mohr, E. (2014):
Vokalisationsverhalten beim Milchrind während des periöstrischen Zeitraumes in zwei Haltungssystemen. Zuchtungskunde 86 (3): 157-169
